An die Exzellenzen, den Klerus, die Mönche, die Monialen und an die Gläubigen des Erzbistums der orthodoxen Kirchen russischer Tradition in Westeuropa
CHRISTUS IST GEBOREN, IHN LASST UNS VERHERRLICHEN!
Mit großer geistlicher Freude und Liebe möchte ich Euch meine besten Wünsche aussprechen, meine lieben Kinder, an diesem Festtag der Geburt unseres Herrn Jesus Christus.
Seit mehr als zweitausend Jahren feiern die Christen das Ereignis, das unsere Welt verändert hat. Wenn wir uns an dieses Ereignis erinnern, hüpft unser Herz vor Freude vor dem Wunder der Fleischwerdung unseres Erlösers. Ein neuer Strahl der Liebe, des Lichtes, der Güte und der Barmherzigkeit ergießt sich mit seinem Glanz in jede Familie und in jedes Herz.
Der Sohn Gottes, geboren in der Ewigkeit von Gott, dem Vater, wird jetzt auf Erden geboren für uns und um unseres Heiles willen, durch den Heiligen Geist und die allreine Jungfrau Maria. Er hat die menschliche Natur angenommen und sie in Sich Selbst erneuert. Er hat allen, die an Ihn glauben, eine neue Geburt im Wasser und im Geist geschenkt (vgl. Joh 3,5) und die Sünde und den Tod vom menschlichen Leben abgerückt, indem Er uns das ewige Leben eröffnet hat. Die Geburt Christi ist der Anfang eines neuen Zeitalters für die gesamte Menschheit, wie es in einem Irmos des Festes besungen wird: „Singt dem Herrn, die ganze Erde, und jauchzt vor Freude, alle Völker, denn ihr seid hochgeehrt.“
Nur einigen wenigen Hirten wurde dieses große Ereignis vom Engel verkündet: „Fürchtet euch nicht! Seht, ich verkünde euch eine große Freude, die für alle Menschen bestimmt ist: Denn heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, Christus der Herr. Und das wird euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ (Lk 2,10-12) Und nachdem die Hirten diese Worte vernommen hatten, zweifelten sie nicht daran; sie haben keine anderen Zeugenberichte oder Beweise gesucht, nein, sie haben Christus unmittelbar in ihr reines Herz aufgenommen und das Jesuskind angebetet.
Die Weisen und die Magier waren die nächsten, die das neugeborene Kind anbeten durften. Der Glaube der Magier ist der Glaube der Wissenschaftler, die Gott erkennen in der Naturbeschaffenheit und in der Bücherweisheit, durch ihre eigene Erkenntniskraft und die sichtbaren Naturereignisse. Sie nähern sich dem Schöpfer-Gott über den Intellekt, sie suchen die Wahrheit in schwierigen Gedankengängen und durch die wissenschaftliche Forschung. Dieser Weg führt ebenfalls zu Christus, wenn die Wahrheit von ganzem Herzen gesucht wird und durch die Hinwendung zu Gott im Gebet.
Jene geheimnisvolle Weihnachtsnacht zeigt uns beispielhaft, dass es unterschiedliche Wege gibt, die uns zum Herrn führen. Einem Menschen, der diesen Weg alleine finden möchte, wird der Herr immer mit seiner Gnade beistehen; er wird die Augen seines Herzens öffnen, um die Wahrheit erkennen zu können. „Denn die heilbringende Gnade Gottes ist allen Menschen erschienen.“ (Titus 2,14) Unser Herr Jesus Christus beruft jede und jeden von uns, glücklich zu werden und mit unserem Schöpfer und Gott auf ewig verbunden zu sein, damit wir in der kurzen Zeit unseres Lebens, die Gott uns schenkt, diesen Gipfel des Glaubens und der Heiligkeit erreichen mögen, von dem aus wir befreit eintreten können in das ewige Reich unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus (vgl. 2 Petr 1,11).
Die Fülle der Liebe Gottes offenbart sich im Geheimnis der Fleischwerdung, unbegreiflich und unergründlich für den menschlichen Geist. Gott wird auf Erden geboren als ein wehrloses Kind: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Die Liebe Gottes ist grenzenlos und diese Liebe in Person hat ihren einzigen Sohn nicht verschont um des Heiles des Menschengeschlechtes willen. Der Sohn Gottes ist jetzt hier unter uns, um das Irdische mit dem Himmlischen zu versöhnen. Die Geburt Christi ist ein Fest der Freude und des Friedens. Es ist ein Fest der Liebe und der Hoffnung, die alles vergibt. Durch dieses Gnadengeschenk der Geburt Christi wollen wir versuchen, dieses Fest in unserem Leben Fleisch und Blut werden zu lassen: Dadurch wird Christus in unseren Herzen geboren und der Gesang der Engel hallt in uns wider und erfüllt uns mit unendlicher Freude. Durch diese geheimnisvolle Geburt Gottes in uns bringt der Herr der Welt den Frieden. Immer noch schenkt er den traurigen und erschöpften Seelen seinen Frieden. Er allein kann uns die Freude und das Heil schenken. In den Weihnachtsgesängen wiederholt die Kirche wie einen Siegesgesang: „Mit uns ist Gott! Ja, mit uns ist Gott“, auf dass wir selber voller Freude den Glanz der unendlichen Liebe Gottes ausstrahlen!
Unser Herr Jesus Christus hat sich um unseres Heiles willen nicht der Futterkrippe geschämt, in der er als Kind, in Windeln gewickelt, gelegen hat. Der Schöpfer des Himmels und der Erde hat um die kalte Felsgrotte der Tiere keinen Bogen gemacht. Jesus Christus schämt sich auch unseres Hauses nicht, heute wie vor zweitausend Jahren, wenn wir dem Herrn nur die Tür unseres Herzens ohne Stolz und Hintergedanken öffnen. Bringen wir ihm doch unsere guten Taten im Tausch für seine aufopfernde Liebe und sein freiwilliges Leiden. Helfen wir denen, die unsere Aufmerksamkeit brauchen. Dadurch machen wir unsere Seelen empfänglich für den Erlöser. Ich bitte Gott, dass die Seele eines jeden von uns im Laufe des neuen Jahres eine Krippe für den neugeborenen Jesus Christus werden möge und dass unser Herz zu einem Thron werde, auf dem der Herr in Ewigkeit herrschen wird.
Das Erdenleben ist wie ein Teppich, gewoben aus der harten Arbeit eines lebendigen Glaubens, einer – oft untreuen – Liebe, einer festen Hoffnung, des Fastens, des Gebetes, der guten Werke, der Geduld, vieler Arten von Kummer, der Krankheiten, der Kriege, von Tränen der Reue… Viele von uns können mit einem Blick zurück feststellen, dass ein Großteil dieses Weges schon hinter uns liegt und wir nur mehr ein kurzes Stück vor uns haben. Doch was auch geschehen mag, Ihr könnt nicht stehenbleiben, sondern müsst weitergehen, weitergehen, um diesen Weg in Geduld, Barmherzigkeit und Liebe, die alles vergibt, zu bahnen. Die Menschwerdung des Gottessohnes hat gezeigt, dass unser Heil in unsere Hände gegeben ist. Wenn Ihr in den Weihnachtstagen unter dem Sternenhimmel den unendlich liebevollen, friedvollen und unermesslich gnadenreichen Blick des ewig lebendigen Gottes spürt, – den Schöpfer, wenn die ganze Welt und die Menschen in seinen Händen geborgen sind – die kleinen Hände des Jesuskindes, dann werdet Ihr spüren, wie sehr jede Geschäftigkeit der Welt vom Herzen abfällt.
An diesem heilbringenden und strahlenden Tag wünsche ich Euch, meine geliebten Kinder, ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr. Möge der neugeborene Erlöser uns inmitten der irdischen Sorgen und des Kummers aufrichten, möge er uns seine Gnade und seinen Frieden schenken und unsere Hoffnung stärken, dass die aufopfernde Liebe, die der Welt nunmehr geschenkt ist, all das, was uns bedrängt und verwirrt, überwindet.
Möge der Stern von Bethlehem uns alle nötige Kraft geben, geistlich zu wachsen zusammen mit Christus, und all unsere guten Taten, zu denen uns das Evangelium ermutigt, zu vervielfältigen zur Ehre Gottes und zu unserem Heil. Wer den Weg gefunden hat, der zur Krippe des Gotteskindes führt, soll ihn voll Vertrauen gehen und kein Sturm dieser Welt von heute soll Euch in Eurem Glauben erschüttern.
Die Liebe Christi, des Jesuskindes, helfe Euch, den guten Weg zu finden und auf dem guten Weg zu bleiben, um zum Licht der Wahrheit zu gelangen: ins Reich der Himmel!
Ein gesegnetes Weihnachtsfest Euch allen!
Paris, 25. Dezember 2024 / 7. Januar 2025
† Metropolit JOHANNES von Dubna,
Erzbischof der orthodoxen Kirchen russischer Tradition
in Westeuropa
Comentarios